Von Dr. Artur Kühnel, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Partner
Voraussichtlich zum 1. August 2022 wird die neue Fassung des Nachweisgesetzes (NachwG) in Kraft treten und einige Änderungen mit sich bringen (siehe dazu etwa den Beitrag Kurzüberblick: Die Neuregelung des Nachweisgesetzes).
Derzeit wird in der Praxis gelegentlich vorgeschlagen, im - vom Arbeitsvertrag getrennt zu erteilenden - Nachweis zu einzelnen nachzuweisenden Arbeitsbedingungen nur auf den Arbeitsvertrag zu verweisen, ohne diese Arbeitsbedingungen im Nachweis selbst wiederzugeben. Es stellt sich die Frage, ob diese Handlungsempfehlung ggf. risikobehaftet ist.
1. Nachzuweisende Arbeitsbedingungen
Gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 NachwG (hier und im Folgenden jeweils in der neuen Fassung) hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer innerhalb der Fristen des § 2 Abs. 1 Satz 4 NachwG einen Nachweis über die wesentlichen Vertragsbedingungen zu erteilen.
In den Nachweis sind mindestens die folgenden Vertragsbedingungen aufzunehmen (§ 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 bis 15 NachwG; Änderungen aufgrund der Neufassung sind farblich hervorgehoben):
- der Name und die Anschrift der Vertragsparteien,
- der Zeitpunkt des Beginns des Arbeitsverhältnisses,
- bei befristeten Arbeitsverhältnissen: das Enddatum oder die vorhersehbare Dauer des Arbeitsverhältnisses,
- der Arbeitsort oder, falls der Arbeitnehmer nicht nur an einem bestimmten Arbeitsort tätig sein soll, ein Hinweis darauf, dass der Arbeitnehmer an verschiedenen Orten beschäftigt werden oder seinen Arbeitsort frei wählen kann,
- eine kurze Charakterisierung oder Beschreibung der vom Arbeitnehmer zu leistenden Tätigkeit,
- sofern vereinbart, die Probezeit,
- die Zusammensetzung und die Höhe des Arbeitsentgelts einschließlich der Vergütung von Überstunden, der Zuschläge, der Zulagen, Prämien und Sonderzahlungen sowie anderer Bestandteile des Arbeitsentgelts, die jeweils getrennt anzugeben sind, und deren Fälligkeit sowie die Art der Auszahlung,
- die vereinbarte Arbeitszeit, vereinbarte Ruhepausen und Ruhezeiten sowie bei vereinbarter Schichtarbeit das Schichtsystem, der Schichtrhythmus und Voraussetzungen für Schichtänderungen,
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bei Arbeit auf Abruf nach § 12 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes:
a) die Vereinbarung, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen hat,
b) die Zahl der mindestens zu vergütenden Stunden
c) der Zeitrahmen, bestimmt durch Referenztage und Referenzstunden, der für die Erbringung der Arbeitsleistung festgelegt ist, und
d) die Frist innerhalb derer der Arbeitgeber die Lage der Arbeitszeit im Voraus mitzuteilen hat, - sofern vereinbart, die Möglichkeit der Anordnung von Überstunden und deren Voraussetzungen,
- die Dauer des jährlichen Erholungsurlaubs,
- ein etwaiger Anspruch auf vom Arbeitgeber bereitgestellte Fortbildung,
- wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine betriebliche Altersversorgung über einen Versorgungsträger zusagt, der Name und Anschrift dieses Versorgungsträgers, die Nachweispflicht entfällt, wenn der Versorgungsträger zu dieser Information verpflichtet ist,
- das bei der Kündigung des Arbeitsverhältnisses von Arbeitgeber und Arbeitnehmer einzuhaltende Verfahren, mindestens das Schriftformerfordernis und die Fristen für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses, sowie die Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage; § 7des Kündigungsschutzgesetzes ist auch bei einem nicht ordnungsgemäßen Nachweis der Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage anzuwenden.
- ein in allgemeiner Form gehaltener Hinweis auf die Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen sowie Regelungen paritätisch besetzter Kommissionen, die auf der Grundlage kirchlichen Rechts Arbeitsbedingungen für den Bereich kirchlicher Arbeitgeber festlegen.
2. Form des Nachweises
Der Nachweis ist gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 NachwG schriftlich niederzulegen, die Niederschrift zu unterzeichnen und dem Arbeitnehmer auszuhändigen.
"Schriftlich niederlegen und die Niederschrift unterzeichnen" bedeutet, dass für die Erteilung des Nachweises die "echte" Schriftform des § 126 Abs. 1 BGB gilt. Danach muss der Nachweis vom Arbeitgeber eigenhändig durch Namensunterschrift (oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens) unterzeichnet werden. Der Nachweis muss sodann (nachweisbar) dem Arbeitnehmer ausgehändigt werden. Daraus folgt:
- Eine Erteilung des Nachweises in bloßer Textform (vgl. § 126b BGB), wie z.B. in einer per E-Mail übersandten PDF-Datei, scheidet aus.
- Und auch eine Erteilung in einem mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehenen elektronischen Dokument ist nicht zulässig. Denn die Erteilung des Nachweises in elektronischer Form (vgl. § 126a BGB) ist nach wie vor - und trotz erheblicher und begründeter Kritik im Gesetzgebungsverfahren - ausdrücklich ausgeschlossen (§ 2 Abs. 1 S. 3 NachwG).
3. Verweise im Nachweis auf anwendbare Kollektivvereinbarungen und Gesetze
Die Angaben zu einigen nachzuweisenden Arbeitsbedingungen (die nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 bis 8 und Nr. 10 bis 14 NachwG) können durch einen Hinweis auf im Gesetz konkret benannte Kollektivvereinbarungen, die auf das Arbeitsverhältnis anwendbar sind (insbes. Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen) ersetzt werden (§ 2 Abs. 4 Satz 1 NachwG).
Wenn für einige nachzuweisende Arbeitsbedingungen (die nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 11 und 14 NachwG) die jeweilige gesetzliche Regelung maßgebend ist, so kann auch hierauf verwiesen werden (§ 2 Abs. 4 Satz 2 NachwG).
Weitere Verweismöglichkeiten regelt das NachwG nicht.
4. Ersetzung des Nachweises durch den Arbeitsvertrag oder einen früheren Nachweis
Wenn dem Arbeitnehmer ein schriftlicher Arbeitsvertrag ausgehändigt worden ist, entfällt die Verpflichtung nach zur Nachweiserteilung, soweit der Arbeitsvertrag die vom NachwG geforderten Angaben (bereits) enthält (§ 2 Abs. 5 NachwG). Nach § 5 Satz 2 NachwG entfällt die Verpflichtung zur Nachweiserteilung zudem, soweit ein früher ausgestellter Nachweis oder ein schriftlicher Arbeitsvertrag die nach dem NachwG erforderlichen Angaben enthält.
Die Nachweispflicht entfällt aber nur, „soweit“ der Vertrag (frühere Nachweis) die geforderten Angaben enthält; im Übrigen bleibt der Anspruch auf den Nachweis bestehen (vgl. ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 2 NachwG Rn. 35 sowie § 4 NachwG Rn. 2). Es kann also auch zu einer "aufgespaltenen" Nachweiserteilung in mehreren Dokumenten kommen.
Für die Praxis wird aktuell zumeist davon abgeraten, den Nachweis (komplett) durch den Arbeitsvertrag zu ersetzen - im Wesentlichen, aber ohne Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben, aus den folgenden Gründen:
- Da der Nachweis im Original schriftlich zu unterzeichnen und auszuhändigen ist (siehe dazu Ziff. 2.), würde der Arbeitsvertrag zum Nachweis und müsste also (in Gänze) auch (hand)schriftlich unterzeichnet und ausgehändigt werden. Soweit ein Arbeitgeber ohnehin so vorgeht, wäre dies kein durchgreifender Einwand. Jedoch gibt es zunehmend mehr Unternehmen, die ihre Verträge usw. - so weit es möglich ist (problematisch können z.B. Befristungsabreden sein) - digitalisieren. Und diese Unternehmen werden insoweit kaum eine komplette Rückwärtsrolle machen wollen.
- Arbeitsvertrag und Nachweis unterscheiden sich in einigen wichtigen Punkten: Im Arbeitsvertrag werden vor allem Arbeitsbedingungen festgelegt, also durch sog. Willenserklärungen Rechte und Pflichten begründet. Zum Teil werden im Arbeitsvertrag aber auch nur wiederholend Arbeitsbedingungen aufgenommen, die bereits auf anderer Grundlage gelten (z.B. Gesetz). Die Änderung der vertraglichen Arbeitsbedingungen ist häufig auch nur einvernehmlich und nicht einseitig durch den Arbeitgeber möglich. Der Nachweis hingegen ist nur eine sog. Wissenserklärung des Arbeitgebers, welche Arbeitsbedingungen seiner Meinung nach gelten, begründet selbst in der Regel aber keine Rechte und Pflichten. Der Nachweis kann und muss sogar (bei entsprechenden Veränderungen der nachzuweisenden Arbeitsbedingungen) jederzeit einseitig vom Arbeitgeber neu erteilt, also geändert werden (soweit der bisherige Nachweis nicht mehr zutreffend ist). Es liegt also auf der Hand, dass die (komplette) Ersetzung des Nachweises durch den Arbeitsvertrag problematisch werden kann.
Dementsprechend wird in der Praxis derzeit regelmäßig empfohlen, einen vom Arbeitsvertrag getrennten Nachweis zu erteilen.
5. Bloße Verweise im Nachweis auf den Arbeitsvertrag
Ausgehend davon wird in der Praxis derzeit zum Teil vorgeschlagen, in dem - vom Arbeitsvertrag getrennt zu erteilenden - Nachweis zu einzelnen nachzuweisenden Arbeitsbedingungen nur auf den Arbeitsvertrag zu verweisen, ohne diese Arbeitsbedingung im Nachweis selbst wiederzugeben.
Ein insoweit derzeit häufiger anzutreffender Formulierungsvorschlag lautet z.B. (im Auszug):
"Im Einzelnen erteilen wir Ihnen einen Nachweis über die folgenden Arbeitsbedingungen:
1. Name und Anschrift der Vertragsparteien:
siehe Arbeitsvertrag
2. Zeitpunkt des Beginns des Arbeitsverhältnisses:
siehe Arbeitsvertrag
3. bei befristeten Arbeitsverhältnissen: Enddatum oder vorhersehbare Dauer des Arbeitsverhältnisses:
siehe Arbeitsvertrag
4. ..."
Gelegentlich, aber nicht immer, wird insoweit zudem empfohlen, dem Nachweis eine Kopie des Arbeitsvertrags als Anlage beizufügen.
Es stellt sich insoweit die Frage, ob diese Vorgehensweise Risiken birgt:
- Wenn der Arbeitsvertrag, auf den verwiesen wird, die vom NachwG geforderten Angaben bereits enthält, ist er nach § 2 Abs. 5 NachwG und § 5 Satz 2 NachwG geeignet, die Verpflichtung zur Nachweiserteilung entfallen zu lassen (siehe obige Ziff. 4.).
- Jedoch muss der Arbeitsvertrag dann "schriftlich" in dem Sinne geschlossen worden sein, dass er (in Gänze) (hand)schriftlich unterzeichnet und ausgehändigt worden sein (siehe ebenfalls obige Ziff. 4. sowie obige Ziff. 2.). Dies muss im Zweifel auch nachweisbar sein.
- Wenn dem Arbeitnehmer hingegen kein (hand)schriftlich unterzeichneter Arbeitsvertrag ausgehändigt worden ist, kann jedenfalls der Arbeitsvertrag selbst den Nachweis nicht ersetzen, da die zwingend vorgeschriebene Form nicht gewahrt worden ist.
- Im letztgenannten Fall kann also nur mit dem Nachweis, in dem hins. einiger Arbeitsbedingungen auf den Arbeitsvertrag verweisen wird, die Form gewahrt werden.
- Doch reicht es insoweit wirklich aus, im Nachweis nur auf den Arbeitsvertrag zu verweisen, ohne diese Arbeitsbedingungen im Nachweis selbst wiederzugeben? Dies ist eher zu bezweifeln: Gesetzgeberisches Ziel der Nachweiserteilung ist bekanntlich, mehr Rechtssicherheit und Rechtsklarheit im Arbeitsverhältnis zu schaffen (vgl. ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 1 NachwG). Der Arbeitnehmer soll hierzu seine nachzuweisenden Arbeitsbedingungen aus dem Nachweis selbst entnehmen können. Legt man zudem (trotz aller Kritik) zugrunde, dass der Nachweis der wesentlichen Arbeitsbedingungen nur (hand)schriftlich erteilt werden kann, wird es klar: Der im Nachweis aufgenommene bloße Verweis auf einen nicht (hand)schriftlich unterzeichneten und ausgehändigten Arbeitsvertrag, ohne die Arbeitsbedingungen im Nachweis selbst wiederzugeben, kann die Nachweispflicht insoweit offensichtlich nicht erfüllen.
- Soweit zum Teil empfohlen wird, dem Nachweis ergänzend zur so einer Verweisung auf den Arbeitsvertrag eine Kopie des Arbeitsvertrags als Anlage beizufügen, kann dies dem vorgenannten Problem unter Umständen abhelfen. Jedoch muss auch dann die vom NachwG vorgeschriebene Form hins. aller nachzuweisenden Arbeitsbedingungen gewahrt werden (vgl. ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 127 BGB Rn. 15 m.w.N.):
-
- Dies ist formwahrend dadurch möglich, indem sichergestellt wird, das der Nachweis und der dem Nachweis als Anlage beigefügte Arbeitsvertrag einen Urkundeneinheit bilden. Wird die Urkundeneinheit nicht sichergestellt, scheidet eine Formwahrung hins. der nur im Arbeitsvertrag wiedergegebenen, nachzuweisenden Arbeitsbedingungen aus.
- Werden Inhalte, die wesentliche Bestandteile des Nachweises sein sollen, nicht im Nachweis selbst aufgenommen, sondern ergibt sich der Gesamtinhalt der nachzuweisenden Arbeitsbedingungen erst aus dem Zusammenspiel mit dem als Anlage beigefügten Arbeitsvertrag, müssen beide Schriftstücke zur Wahrung der Urkundeneinheit die Zusammengehörigkeit in geeigneter Weise zweifelsfrei kenntlich machen.
- Diese Urkundeneinheit kann durch eine von Anfang an bestehende körperliche Verbindung der Dokumente (Heften, Ösen) hergestellt werden, deren Lösung nur durch Gewaltanwendung (z.B. Lösen der Heftklammer) möglich ist.
- Die Urkundeneinheit kann aber auch durch eindeutige Verweisung in der Urkunde auf die Anlage inklusive Rückverweisung erfolgen. Die Rückverweisung im Arbeitsvertrag auf den Nachweis scheidet vorliegend aber aus. Und das Fehlen einer Rückverweisung hat das BAG jedenfalls bei einem Interessenausgleich (§ 112 BetrVG) als schädlich angesehen (BAG, Urteil vom 12. Mai 2010 - 2 AZR 551/08). Ob diese restriktive Linie auch auf die vorliegende Fallgestaltung übertragbar ist, ist diskutabel, aber eben ein Unsicherheitsfaktor.
- Die Urkundeneinheit kann ebenfalls durch Unterzeichnung der Parteien auf jedem Blatt des als Anlage beigefügten Arbeitsvertrages durch den Arbeitgeber geschehen. Ob hier eine Paraphierung ausreicht oder eine "richtige" Unterschrift nötig ist, ist unklar, so dass von einer bloßen Paraphierung abgesehen werden sollte.
- Im Übrigen helfen die Regelungen zu Verweisen auf Kollektivvereinbarungen und Gesetze in § 2 Abs. 4 Sätze 1 und 2 NachwG vorliegend nicht, da Arbeitsverträge hiervon nicht erfasst werden. Im Gegenteil kann man aus diesen Regelungen einen Umkehrschluss ziehen, dass dies gerade nicht zulässig ist (vorbehaltlich § 2 Abs. 5 NachwG und § 5 Satz 2 NachwG).
6. Fazit
Der derzeit in der Praxis gelegentlich anzutreffende Vorschlag, in einem - vom Arbeitsvertrag getrennt zu erteilenden - Nachweis zu einzelnen nachzuweisenden Arbeitsbedingungen nur auf den Arbeitsvertrag zu verweisen, ohne diese Arbeitsbedingungen im Nachweis selbst wiederzugeben, ist wohl nur unter den dargestellten Rahmenbedingungen wirksam möglich und ansonsten zumindest risikobehaftet.
Wie so manche Fragen, die durch die Neuregelung des NachwG aufgeworfen werden, ist aber auch die hier behandelte Thematik bisher ungeklärt. Es bleibt abzuwarten, ob und wann insbes. durch die Rechtsprechung Klarheit geschaffen wird. Bis dahin müssen Arbeitgeber zwischen den Risiken und dem Aufwand einer sicheren Ausgestaltung des Prozesses zur Nachweiserteilung abwägen und sich für eine mehr oder eine weniger risikobehaftete Vorgehensweise entscheiden.
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Partner
E-Mail: kuehnel@vahlekuehnelbecker.de
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