BAG: Fiktive Nachtzuschläge für Betriebsratsmitglieder?

Von DR. ARTUR KÜHNEL, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Partner

Ein Betriebsratsmitglied hat keinen Anspruch auf Nachtzuschläge für Betriebsratstätigkeit, die es außerhalb der Nachtzeit leistet. Dies gilt auch dann, wenn es, bevor es Betriebsratsmitglied wurde, Nachtarbeit geleistet hat und die Arbeitszeit wegen der Betriebsratstätigkeit einvernehmlich auf die Tagarbeitsstunden verschoben wurde.

 

BAG, Urt. v. 18.05.2016 – 7 AZR 401/14

 


Die Parteien streiten über die Zahlung von Nachtarbeitszuschlägen. Die Arbeitgeberin betreibt Einrichtungshäuser. Der Arbeitnehmer ist seit dem 8.01.2009 in einer Filiale als Mitarbeiter der Abteilung Logistik in Vollzeit beschäftigt. Die kraft beiderseitiger Tarifbindung anwendbaren Tarifverträge sehen für Nachtarbeit, die um 19:30 bzw. 20:00 beginnt und um 6:00 Uhr endet, die Zahlung eines Nachtzuschlags vor. Die Arbeitszeit des Arbeitnehmer und seiner Abteilungskollegen begann in der Regel in der Zeit zwischen 3:30 und 4:00 Uhr. Nachdem der Arbeitnehmer zum Betriebsratsvorsitzenden gewählt worden ist, vereinbarten der Betriebsrat und die Arbeitgeberin mit Einverständnis des Arbeitnehmers, dass sein Arbeitsbeginn künftig auf 6.00 Uhr verschoben wird. Zudem wurde vereinbart, dass der Arbeitnehmerin der Zeit von 11:00 Uhr bis 14:30 Uhr für Betriebsratstätigkeit freigestellt wird. Mitarbeiter sollte es dadurch ermöglicht werden, leichter Kontakt zum Kläger aufzunehmen. Ab diesem Zeitpunkt erhielt er keine Nachtarbeitszuschläge mehr. Der Arbeitnehmer hat die Zahlung von Nachtarbeitszuschlägen für je zwei Stunden pro Arbeitstag in der Zeit von November 2011 bis Oktober 2012 geltend gemacht. Er hat die Ansicht vertreten, die durch die Betriebsratstätigkeit bedingte Verlagerung seiner Arbeitszeit dürfe nicht zu einer Minderung seines Arbeitsentgelts führen. Sein Entgelt dürfe nicht geringer bemessen werden als das Entgelt der mit ihm vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer der Abteilung Logistik.

 

Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass der Arbeitnehmer die geltend gemacht Zahlung von Nachtarbeitszuschlägen nicht verlangen kann. Ein Betriebsratsmitglied, das nicht während der Nachtzeit arbeitet, habe keinen Anspruch auf Nachtzuschläge für Betriebsratstätigkeit, die es außerhalb der Nachtzeit leistet. Auch dann der Arbeitnehmer, bevor er Betriebsratsmitglied wurde, Nachtarbeit geleistet habe, habe er keinen Anspruch, weil seine Arbeitszeit wegen der Betriebsratstätigkeit einvernehmlich auf die Tagarbeitsstunden verschoben worden sei.  Der Verlust des Nachtarbeitszuschlags beruhe nicht auf einer Freistellung wegen der Betriebsratstätigkeit, sondern auf der im Einvernehmen mit dem Arbeitnehmer vorgenommenen Verschiebung seiner Arbeitszeit um zwei Stunden auf die Zeit von 6:00 Uhr bis 14:30 Uhr. Auf den Umstand, dass die Arbeitszeit verschoben worden sei, um eine Freistellung in der Zeit von 11:00 Uhr bis 14:30 Uhr zu ermöglichen, komme es nach dem Lohnausfallprinzip nicht an. Die Nichtgewährung der begehrten Nachtarbeitszuschläge sei auch keine gegen § 78 Satz 2 BetrVG verstoßende Benachteiligung des Arbeitnehmers wegen seiner Betriebsratstätigkeit. 

 

Praxishinweis: Die Vorinstanz (Landesarbeitsgericht Köln) hatte noch zugunsten des Betriebsratsmitglieds entschieden. Im Ergebnis hat sich der Arbeitnehmer durch die von ihm mitgetragene  Verschiebung seiner Arbeitszeit um mögliche Nachtarbeitszuschläge gebracht. Wie das Bundesarbeitsgericht in der Entscheidung aber zur Recht anmerkt, hätte die ganze Sache auch anders gehandhabt werden können: Die Verschiebung der Arbeitszeit sei nicht erforderlich gewesen, um dem Arbeitnehmer die Wahrnehmung von Betriebsratsaufgaben in der Zeit von 11:00 Uhr bis 14:30 Uhr zu ermöglichen. Dieser Zeitraum habe zwar teilweise außerhalb seiner vorherigen Arbeitszeit gelegen. Dies habe aber der Durchführung der Betriebsratstätigkeit in dieser Zeit nicht entgegengestanden. Der Arbeitnehmer hätte vielmehr zum Ausgleich für aus betriebsbedingten Gründen außerhalb seiner Arbeitszeit durchgeführte Betriebsratsarbeit nach § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG einen Anspruch auf entsprechende Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts gehabt.

DR. ARTUR KÜHNEL
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Partner
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